Auf zu neuen Ufern

Auf ins Abenteuer weit, weit weg: Die Bewerbung ist der erste Schritt ins Auslandssemester

Ein Auslandssemester ist eine der aufregendsten Erfahrungen während des Studiums. Für mich jedenfalls waren die Monate, die ich im Bachelor und Master im Ausland studiert habe, die prägendsten Zeiten überhaupt. Doch bevor es losgeht, gibt es erstmal einiges zu entscheiden, zu bedenken und zu erledigen. Wichtig ist bei den Vorbereitungen fürs Ausland: Unterschätzt den Aufwand nicht. Doch denkt auch immer fest daran: Egal wie stressig es wird, das Erlebnis wird es wert sein.

Ich spreche aus Erfahrung, denn ich bin gerade von einem Auslandsjahr in den USA zurückgekehrt. Und auch wenn mein Aufenthalt Corona-bedingt etwas kürzer ausgefallen ist als geplant, kann ich euch verraten, dass mir im Nachhinein der Bewerbungsaufwand im Vergleich zu all den tollen Erinnerungen aus den vergangenen neun Monaten verschwindend gering vorkommt. Natürlich ist es im Moment unsicher, inwiefern Auslandsaufenthalte in der nächsten Zeit möglich sein werden. Da die Bewerbung aber ohnehin mit großem Vorlauf geplant werden muss, erzähle ich euch hier trotzdem, wie ich mir das Studium dort finanziert habe und was ich erledigen musste, bevor es endlich losging.

1. Das richtige Programm

Die erste Frage, die ich mir stellen musste, war: Wie weit weg soll es gehen? Um innerhalb der EU zu bleiben, sind natürlich die Erasmus-Programme die naheliegende Option. Dazu erfahrt ihr mehr über euer Institut. Informationsveranstaltungen finden in der Regel zu Beginn des Wintersemesters für das darauffolgende Jahr statt, bewerben könnt ihr euch dann meistens im Januar. Aber auch das International Office der Uni Göttingen hat über das Tuition Waiver Program einige spannende Ziele außerhalb Europas im Angebot, Partneruniversitäten gibt es auf allen fünf Kontinenten. Beraten lassen könnt ihr euch dort im Moment online über international@uni-goettingen.de. Die Bewerbungsfristen fürs Wintersemester sind am 1. Dezember, fürs Sommersemester am 1. Juni. Doch das sind nicht eure einzige Möglichkeiten: Auch außerhalb der Uni gibt es verschiedene Wege, an Studienaustauschprogrammen teilzunehmen.

Für mich war – nach einem Erasmus-Semester in Edinburgh im Bachelor – klar, dass ich im Master weiter und länger wegwollte. Da ich außerdem am liebsten in ein englischsprachiges Land wollte, konzentrierte ich mich bei meiner Suche besonders auf Austauschprogramme für die USA – ein Land, in dem ich nach mehreren Urlauben dort unbedingt einmal für längere Zeit leben wollte. Da es für meinen Studiengang keine passende Partner-Uni in den USA gab, beschloss ich, es auf andere Weise zu versuchen und bewarb mich sowohl beim DAAD als auch bei der Fulbright-Kommission. Mithilfe ihrer Stipendien lässt sich ein selbst organisiertes Auslandssemester an einer amerikanischen Uni finanzieren – ebenso könnt ihr euch aber für ein solches Stipendium als Finanzspritze zu einem über die Uni Göttingen organisierten Austausch bewerben.

DAAD ist die Abkürzung für Deutschen Akademischen Austauschdienst. Es gibt ihn seit 1925 und er ist die größte Förderorganisation für internationalen Austausch auf der ganzen Welt. Die Fulbright-Kommission wurde 1946 durch den Senator James William Fulbright gegründet und fördert den Austausch zwischen den USA und anderen Ländern. Beide Organisationen vergeben Studienstipendien für Auslandsaufenthalte, die bis zu einer gewissen Grenze sowohl Lebenshaltungskosten als auch Studiengebühren abdecken.

Natürlich braucht es ein wenig Überwindung, um sich für solche Stipendien zu bewerben – doch lasst euch nicht abschrecken. Für die Bewerbung müsst ihr nicht unbedingt einen 1,0-Schnitt sowie einen makellosen Lebenslauf vorweisen – genauso wichtig ist, dass ihr Interesse und Freude an eurem Studiengang habt und ob ihr euch sozial, politisch oder anderweitig engagiert.

2. Die schriftliche Bewerbung

Für beide Programme sind die ersten Bewerbungsschritte recht ähnlich – was praktisch ist, war es so doch nicht viel mehr Aufwand, gleich zwei Bewerbungen auf einmal fertigzumachen. Bei beiden Organisationen sind für die Bewerbungen nicht nur Lebenslauf und Zeugnisse fällig, sondern auch ein ausführliches Motivationsschreiben und vielleicht auch weitere Essays. Ich musste zum Beispiel für meine Bewerbung ausführlich mein Studienvorhaben beschreiben: was ich studieren möchte, an welcher Uni und ob ich ein konkretes Forschungsvorhaben verfolgen möchte. Außerdem sollte ich meinen persönlichen Werdegange beschreiben, welche Erlebnisse mich geprägt haben und was für Hindernisse ich überwinden musste.

Wichtig sind in diesem Teil der Bewerbung meiner Erfahrung nach präzise, gut argumentierte Begründungen. Vielleicht hat eure Wunsch-Uni im Ausland bestimmte Bestände in ihrer Bib, mit denen ihr arbeiten wollt? Vielleicht gibt es Expert*innen auf einem eurer Interessensgebiete, bei denen ihr studieren wollt? Oder die Stadt, in die ihr möchtet, hat ein hervorragendes Museum, das für euer Masterarbeits-Recherche genau das richtige Material hat? Informiert euch gründlich anstatt euch fadenscheinige Gründe auszudenken, seid enthusiastisch, aber nicht überschwänglich. Auch euren Lebenslauf sollte ihr noch einmal mit einem kritischen Auge überprüfen. Nehmt nur wichtige Stationen auf, für Austauschprogramme ist besonders die akademische Laufbahn von Bedeutung – den Sommerjob in der Eisdiele im Jahr 2011 könnt ihr hingegen getrost weglassen.

Schließlich kommt man beiden größeren Austauschprogrammen auch nicht umhin, Empfehlungsschreiben einreichen zu müssen. Mir ist es immer etwas unangenehm, zu Professor*innen in die Sprechstunde zu gehen und sie zu bitten, Lobeshymnen auf mich zu Papier zu bringen. Doch keine Scheu: Für die meisten Dozierenden ist es Alltag, solche Gutachten zu schreiben und gehört zu den üblichen Arbeitsaufgaben. Damit die Anfrage weniger Überwindung kostet, habe ich immer früh dafür gesorgt, sie guten Gewissens stellen zu können. Das heißt: Ich habe jemanden gefragt, der*die mit Sicherheit mit Namen kennt, bei dem oder der ich eine gute Hausarbeit geschrieben hatte oder in deren*dessen Seminar ich aktiv mitgearbeitet hatte.

3. Das Bewerbungsgespräch

Ist die schriftliche Bewerbung erledigt, bekam ich nach einigen nervenaufreibenden Monaten Wartezeit per Mail Bescheid, dass ich es durch die erste Runde geschafft habt. Ist diese Hürde geschafft, folgt zugleich die zweite: das gefürchtete Auswahlgespräch. Gerade um diesen Bewerbungsschritt ranken sich zahlreiche Mythen, die Rede ist von gnadenlosen Kreuzverhören, unmöglichen Fragen und ellenbogen-ausfahrenden Konkurrent*innen.

In meinem Fall ergab sich die größte Schwierigkeit im Bewerbungsprozess im Voraus des Gesprächs: Nach der schriftlichen Bewerbung wurde ich sowohl vom DAAD als auch von der Fulbright-Kommission zu Auswahlgesprächen eingeladen – diese fanden jedoch fast zeitgleich statt, das eine in Berlin und das andere in Bonn. Da sich die Termine leider meistens nicht verlegen lassen, beschloss ich, alles auf eine Karte zu setzen, sagte das Gespräch beim DAAD ab und bei Fulbright zu und fuhr Anfang November dafür nach Berlin.

Kurz vorher war ich extrem aufgeregt. Vor dem Gespräch wurde ich in einen kleinen Warteraum geführt, wo die anderen drei Kandidat*innen saßen, alle aus ähnlichen Fachgebieten wie ich selbst. Sie waren nett und wir plauderten, um unsere Aufregung ein wenig zu vergessen. Grund für unnötigen Konkurrenzdruck gibt es bei den Bewerbungsgesprächen auch überhaupt nicht: Für die Anzahl derjenigen, die aus einer Gruppe angenommen werden, gibt es keine Quote, es können genauso gut alle oder überhaupt niemand eine Zusage bekommen. Es bringt also gar nichts, die anderen zu übertönen, sondern es ist wichtiger, untereinander eine respektvolle Diskussionsatmosphäre zu schaffen.

Schließlich ging das Gespräch mit der Jury los, die aus Mitgliedern der Fulbright-Kommission sowie Hochschul-Professor*innen besteht. Es dauerte etwa eine Stunde und war, um ehrlich zu sein, nicht die entspannteste Unterhaltung, die ich je geführt habe. Die Fragen, die uns gestellt wurden, waren eher allgemein als konkret auf unsere Bewerbung bezogen, sie deckten kulturelle und gesellschaftspolitische Themen ab und zielten auch darauf ab herauszufinden, wie gut wir über aktuelle Ereignisse informiert waren. Die erste Hälfte des Interviews lief auf Deutsch, danach wurde ins Englische gewechselt. Ich hatte Glück mit meiner Gruppe: Die Gesprächsdynamik zwischen uns war angenehm, die Redeanteile waren ausgeglichen und der Ton ruhig und freundlich.

Das Gespräch ist also in der Tat eine stressige Situation, auf die man sich gut vorbereiten sollte und die man mit Selbstbewusstsein angehen sollte – sie ist jedoch keineswegs so schlimm, wie man sie sich im Vorhinein vorstellt und es gibt keinen Grund, warum ihr nicht auch diese zweite Bewerbungsrunde meistern solltet. Und macht euch keine Sorge, wenn eure Antwort mal nicht perfekt klingt: Der Auswahlkommission ist bewusst, dass ihr nervös seid.

4. Papierkram und Finanzen

Nach dem Gespräch dauert es wieder einmal, bis die endgültige Entscheidung mitgeteilt wird Nachdem ich einige ruhelos Nächte verbracht hatte und das Bewerbungsgespräch immer wieder vor meinem kritischen inneren Auge abspielen ließe, flatterte im Dezember endlich die Mail mit einer Zusage in mein Postfach. Doch zu Ende war damit der lange Weg zum Auslandsjahr noch nicht. Denn nun folgt zunächst die Bewerbung an der Uni meiner Wahl.

Für viele amerikanischen Unis ist die Teilnahme an standardisierten Tests Pflicht für die Bewerbung. Zum Glück musste ich nur einen TOEFL-Sprachtest machen, manchmal ist aber zusätzlich auch ein SAT oder GRE notwendig, der sprachliche, mathematische und logische Kompetenzen abfragt. Die Tests sind knifflig, mithilfe der entsprechenden Vorbereitungsbücher oder Computer-Programme jedoch durchaus zu bewältigen. Leider sind sie auch sehr teuer, sowohl TOEFL als auch GRE kosten um die 200 Dollar, hinzu kommen die Fahrtkosten, wenn ihr die Tests außerhalb von Niedersachsen ablegen müsst. Doch die Ausgaben bekommt ihr durch die Nebenkostenpauschale (bei Fulbright 600 Euro) wiedererstattet. Auch die Bewerbung selbst kostet an den meisten US-Unis noch einmal 50 bis 100 Dollar. Wer ein Auslandsjahr plant, sollte also im besten Fall, schonmal im Voraus ein bisschen was beiseite legen.

Die Zusage für ein Stipendium bedeutet natürlich eine große finanzielle Erleichterung – und doch keinen unbegrenzten Geldsegen. Über Göttingen International bekommt ihr keine Stipendienrate, dafür aber die Studiengebühren erlassen, das Erasmus-Taschengeld ist mehr als kleiner Zuschuss zum Auslandsaufenthalt gedacht, während DAAD und Fulbright ein Vollstipendium vergeben, mit dem ihr euch komplett verpflegen könnt. Freizeit und Reisen deckt aber auch dieser Betrag nur in Maßen ab, ein bisschen was aus der eigenen Tasche musste ich also beisteuern. Gerade das Studium in den USA ist aufgrund der hohen Studiengebühren sehr teuer. Fulbright-Stipendien umfassen maximal 34.000 Dollar für Lebenshaltungskosten und andere Ausgaben für das gesamte Studienjahr – selbst damit sind also Studiengebühren von 50.000 Dollar und aufwärts, wie es sie an vielen der amerikanischen Elite-Unis gibt, unerschwinglich, will man sich für das Auslandsjahr nicht in Schulden stürzen. Wichtig ist bei der Auswahl der Uni – läuft der Austausch nicht über eine Partner-Uni der Uni Göttingen – also, darauf zu achten, dass sich die Studiengebühren mit Stipendium und eigenen Ersparnissen irgendwie bewältigen lassen. Manche der amerikanischen Unis gewähren zudem (insbesondere wenn ihr über ein renommiertes Austauschprogramm kommt) Studiengebührenerlasse.

Als ich eine Zusage meiner Uni, der University of Arkansas, hatte, folgte der restliche Papierkram auf dem Fuße: Für das Visum musste ich online einen ausführlichen Antrag ausfüllen und dann einen Termin bei einem Konsulat in der Nähe beantragen. Dieser Schritt bedeutete nochmal ein wenig Arbeit, doch war mein Abflug dann schon in so greifbare Nähe gerückt, dass ich den Aufwand getrost in Kauf nahm

5. Konkrete Reisevorbereitungen

Vor der Abreise musste ich mich noch um einige wesentliche Dinge kümmern: ein Zimmer in meinem Studienort, die Kündigung meines Zimmers in Göttingen sowie ein Learning Agreement, in dem ich im Voraus mit der Uni Göttingen vereinbaren konnte, welche Kurse aus dem Auslandssemester ich mir anrechnen lassen konnte. Für die Zimmersuche in den USA war Facebook sehr hilfreich: Mein Post in einer Uni-Gruppe für Fulbright-Stipendiat*innen lieferte direkt mehrere Angebote. So konnte ich beruhigt ins Flugzeug steigen, ohne mir Sorgen um Obdachlosigkeit machen zu müssen. Falls das nicht klappt, keine Sorge! Viele Unis bieten für internationale Studierende nach der Ankunft günstige Hotelzimmer an, in denen man bleiben kann, bis man eine langfristige Unterkunft gefunden hat.

Auch das Packen sollte gut überlegt sein: Aus meiner Erfahrung kann ich euch raten, unbedingt an einen (passenden!) Adapter zu denken und ein paar Gegenstände mitzunehmen, die ihr zeigen könnt, wenn die Leute euch über den Alltag zu Hause fragen. Ich hatte, im Vergleich zu meinen Freund*innen, die mit traditioneller Kleidung, Süßigkeiten, Musikinstrumenten und Schmuckstücken aus ihren Ländern anrückten, nichts in dieser Richtung mit und war deshalb immer ein wenig traurig, wenn ich bei Uni-Veranstaltungen für International Students nichts besteuern konnte. Außerdem schlug ich den Ratschlag einer Freundin in den Wind, eine Packung guten Kaffee in den Koffer zu packen und bereute diese Entscheidung die gesamte Zeit.

Und wenn schließlich, endlich, alles erledigt ist, bleibt nur noch eins: Vergesst nicht, euch auf das Abenteuer zu freuen, das vor euch liegt, und es in vollen Zügen zu genießen! Ich jedenfalls habe in Amerika unzählige Abenteuer erlebt, an die ich mich immer gerne erinnern werde.

Mehr über mein Studium an der University of Arkansas könnt ihr hier lesen.

Written By

Hanna Sellheim, 23, ist für den Master in Komparatistik von Berlin nach Göttingen gezogen. Egal wo, geschrieben hat sie schon immer und erkundet jetzt für den Blug den Göttinger Campus.

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