Hier ist der Campus am gruseligsten

Ich höre nur noch meine eigenen schnellen Schritte, schwere Äste knarzen, der Wind pfeift und neben mir raschelt es im Gebüsch. Manchmal fühlt sich der Campus nicht an wie der Campus, sondern birgt sonderbare Wege und Ecken, die mir Unbehagen bereiten. Eben noch stand ich auf dem Platz der Göttinger Sieben, der bei Laternenlicht zu einer Kulisse der Furcht wird. Wenige Meter weiter führen dunkle Wege vorbei an Uni-Gebäuden, die Semesteranfangsstimmung, die bei Tageslicht hier herrscht, ist erloschen. Obwohl ich jetzt lieber woanders wäre, möchte ich sie erkunden, die schaurigsten Ecken des Campus.

 

Waldweg

Lesesaal der Bibliothek Waldweg

Mein erstes Ziel ist der Waldweg. Ein schmaler Weg zwischen KWZ und Kreuzbergring bringt mich zuerst zur Humboldtallee, von dort aus muss ich zwischen Häusern und Gebüsch meine Handy-Taschenlampe anschalten, so finster ist der Abend. Den Keller der Waldwegsbibliothek solle ich mir anschauen, haben mir Freund*innen geraten, dort sei es besonders gespenstisch. Das Licht müsste nun eigentlich automatisch angehen, doch die Gänge bleiben düster. Längst gruselt mich nicht mehr nur Mathematik- und Informatik-Literatur. Von irgendwo höre ich das leise Pfeifen einer Heizung und ich möchte mich so kurz vor Bibliotheksschluss nun beeilen, zu groß ist die Gefahr, hier eingeschlossen zu werden…

 

Humboldtallee

Humboldtallee 19

Ich möchte wieder zurück zum Zentralcampus, mein Weg führt an der Klassischen Philologie vorbei. Das schwere Stahltor macht zunächst quietschende Geräusche, ehe es laut ins Schloss fällt. Ein Windstoß fegt Blätter über den kleinen Vorhof. Die grünstichigen, verzierten Fenster erinnern an etwas, das Bram Stoker zu Dracula inspiriert haben könnte. Wer sich so spät abends noch in diesem Gebäude aufhält weiß ich nicht, hin und wieder passieren dunkle Schatten die schmalen Gänge, die ich durch die Fenster sehen kann. Ich weiß schnell, dass ich hier auf gar keinen Fall bleiben möchte.

 

SEP-Bibliothek

Lesesaal der SEP-Bib

Ich eile weiter. Weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es in der Bibliothek der Englischen Philologie nicht mit rechten Dingen zu geht, möchte ich die dortige paranormale Stimmung einfangen. Wer mir die übernatürlichen Spannungen nicht glaubt, soll selbst nach Sonnenuntergang in die Tiefen des Käte-Hamburger-Weg 4 eintauchen und sich vom Spuk der Vergangenheit überzeugen. Obwohl ich weiß, dass sich um die Uhrzeit niemand mehr hier aufhält, überkommt mich ein merkwürdiges Gefühl. Vielleicht höre ich draußen Blätter gegen die Scheibe wehen, vielleicht sind es aber auch huschende, leise Schritte? Und ein Geräusch, als würde jemand eines der Metallregale streifen. Bevor ich herausfinde, was oder wer es war, verlasse ich die dunklen Kellerräume und stolpere die Treppen hoch.

 

ZESS

AP 26 im ZESS Gebäude

An mein Literaturseminar in diesem Hörsaal erinnere ich mich noch ganz genau, damals war Winter und jedes Mal schon dunkel, wenn wir ihn betraten. Nirgends fällt mir das Grusel-Foto so schwer wie hier, sagt mir doch mein ganzer Körper, dass man sich hier in AP 26 zu später Stunde nicht mehr alleine aufhalten sollte. Wo früher Leichen seziert wurden, liegt nun ein schwarzes Kabel. Der Abfluss des Seziertischs ist mittlerweile versiegelt, nur das Becken darunter erinnert noch an Rinnsale von Körperflüssigkeiten, von hier aus werden jetzt nur noch Powerpoint-Präsentationen gestartet. Langsam gehe ich die schmalen Treppenstufen hinauf, an den bedrohlich wirkenden dunklen Sitzwänden vorbei, das alte Holz knarzt. Einen Lichtschalter finde ich auch oben nicht. Lediglich ein großes Bild, auf dem ein menschlicher Körper präpariert wird, hängt direkt in meiner Blickweite. Ein kalter Schauer packt mich, noch nie war die Anwesenheit von etwas Abwesendem so spürbar…

 

Theologicum

Der Flur des Theo-Untergeschosses

Mein letzter Stop ist das Theologicum. Ich möchte sagen, dass man sich hier mit Übernatürlichem auskennt, jedoch möchte ich auch weiterhin glauben, dass es nicht existiert. Im Untergeschoss gibt es keinerlei Tageslicht, Hallogen-Lampen tauchen die Flure in furchteinflößend bläulich-kaltes Licht. Ich will eine runde um das mittige Treppenhaus gehen, das erste Licht schräg über mir fängt an zu flackern. Von der Serie Supernatural habe ich gelernt, dass das passiert, wenn Geister in der Nähe sind. Mir wird kurz kalt und dann sehr heiß, mein Herz schlägt viel zu schnell. Ich versuche, mich wieder zum rational denken zu bewegen. Gruseln kommt immer von innen, es sind immer die eigenen Ängste, selten gibt es dafür wahrhaftige Gründe. Die Gummisohlen meiner Sneaker quietschen. Ich möchte jetzt ganz schnell hier weg.

Ich komme mit Horrorfilmen klar, ich mag auch Halloween. Aber wieso ich mich darauf eingelassen habe, bei Nacht über den Campus zu schleichen und einsame Ecken zu erkunden, weiß ich auch nicht. Jetzt bin ich wieder, froh zuhause zu sein. Doch noch während ich den Lichtschalter in meinem Zimmer suche, höre ich ein ungewöhnliches Geräusch. Meine Nackenhaare stellen sich auf – was ist da unter meinem Bett? – und plötzlich streift mich etwas am Arm…

(und passt auf euch auf!)

 

Written By

Theresa, 26, studiert im Master North American Studies, Germanistik und Anglistik. Am liebsten schreibt, liest und organisiert sie und ist damit nicht nur beim BLUG und im Social Media Team der Uni gut aufgehoben, sondern auch als Volontärin beim Literarischen Zentrum.

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