„Stressig, aber auch irgendwie cool“

Vom Leben und Studieren mit Kindern erzählte mir Caro, eine Masterstudentin.

Studieren und gleichzeitig eine Familie gründen? Für viele scheint das unvereinbar. Zu wenig Geld, zu großer Freiheitsdrang, und ganz erwachsen fühlt man sich als Studi irgendwie auch noch nicht. Warum entscheiden sich trotzdem manche ganz bewusst für ein Kind im Studium? Und wie sieht der Alltag studierender Eltern aus?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, treffe ich mich mit Caro im Café Central. Als wir uns einen Platz suchen, bemerke ich den kleinen Babybauch unter ihrem bunt gemusterten Pullover. Ihr drittes Kind, wie sie mir gleich erzählen wird. Caro ist 27 und schreibt gerade an ihrer Masterarbeit im Fach Geschlechterforschung. Für sie war schon immer klar, jung Mutter zu werden. In Ostdeutschland, wo sie aufgewachsen ist, sei das noch viel selbstverständlicher als hier. Schockiert sei sie gewesen, als sie aus Mecklenburg- Vorpommern nach Göttingen kam und hörte, wie alt die Eltern mancher ihrer Kommilitonen schon sind. Hm, das interessiert mich jetzt schon, gibt es tatsächlich einen Unterschied zwischen Ost und West? Ich finde eine Erhebung des Statistischen Bundesamts von 2010, die Caros Eindruck bestätigt: Frauen aus den neuen Bundesländern bekommen ihr erstes Kind im Durchschnitt mit 27 Jahren, in den alten Bundesländern liegt der Schnitt bei 29. Doch Zahlen mal beiseite ­­­­- wie lebt es sich als studierende Mutter und warum entscheidet man sich gegen ein unbeschwertes Studentenleben und für Kinder?

„Dann hab ich irgendwie den Richtigen gefunden und uns war beiden sofort klar, wir wollen Kinder haben. Wir waren zwar beide noch im Studium, aber das war egal.“

Caro findet, viele würden sich davor scheuen, sich an einen Partner zu binden, sich lieber alle Türen offen halten und deshalb erst spät Kinder kriegen. Sie lernte in ihrem ersten Semester in Göttingen ihren jetzigen Freund kennen und auch er wollte früh Vater werden. So bekam sie mit 22, als sie gerade mitten in ihrem Bachelor der Allgemeinen Sprachwissenschaft und Geschlechterforschung steckte, ihr erstes Kind. Anderthalb Jahre später waren sie schon zu viert. Ein Urlaubssemester hat Caro nie eingelegt, sondern immer nebenbei weiter Seminare besucht. Im Nachhinein beschleicht sie das Gefühl, die Zeit, als ihre Kinder noch ganz klein waren, nicht genug genossen zu haben. Das will sie bei ihrem Sohn, der im Mai geboren wird, anders machen. Dann wird sie ihre Masterarbeit abgegeben haben und Elternzeit nehmen.

So wie Caro über ihr Leben erzählt, klingt es geradezu leicht, während des Studiums zwei Kinder großzuziehen. Nicht weil sie es beschönigt, sondern weil es für sie eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint. Für die 27-Jährige sind Kinder nicht das i-Tüpfelchen zur Karriere, sondern ein Teil des Lebens, auf dem alles andere aufbaut. Nach dem Abi ging sie für ein Jahr nach Amerika – als Au-pair. In diesem Jahr habe sie die Welt entdecken können und Freiheits­ge­fühl auf Vorrat gespeichert. Die Lockerheit, mit der sie die Familienplanung handhabt, zeigt sich auch in Sachen Erziehung. Im Gegensatz zu anderen Eltern aus der Kita lässt sie ihre Kinder lieber Zeit zu Hause verbringen als sie zum Ballett oder Musikunterricht anzumelden.

„Die meisten älteren Eltern, wollen den besten Kindergarten. Ich bin froh, wenn ich in die Uni gehen kann.“

Der Vorteil schon als Studentin ein Kind zu kriegen, sagt Caro, sei, dass man viel weniger Ansprüche an den eigenen Lebensstandard hätte, als wenn man schon arbeiten würde. Welcher Student will schon ein Haus, ein Auto oder kann mit einem gut gefüllten Konto prahlen? Doch später gerate der Kinderwunsch oft ins Hintertreffen, weil die Erwartungen an die materiellen Voraussetzungen hoch seien. Die ersten Wochen nach der Geburt ihrer Tochter teilten sie und ihr Freund sich noch ein Zimmer in einer 5er WG. Die Anziehsachen für die Kinder kauft sie auf dem Flohmarkt, ­es müssen ja keine trendigen Klamotten sein. Als Student sei man es sowieso nicht gewohnt mit Geld um sich zu werfen, deshalb komme mit den Kindern auch keine so große finanzielle Veränderung auf einen zu, wie man gemeinhin glauben würde. Caro meint: “ Richtig Geld kosten Kinder erst später, wenn sie auf Klassenfahrt fahren oder Nachhilfeunterricht brauchen – aber dann arbeitet man ja auch schon.“

Bis ihr Freund vor einem guten Jahr eine Vollzeitstelle antrat, wurden die beiden von ihren Eltern finanziert. Außerdem arbeitet Caro als studentische Hilfskraft an der Uni, um auch etwas zum Familieneinkommen beizutragen. Aber am liebsten wäre sie finanziell unabhängig. Caro beklagt, eine Frau könne so emanzipiert sein, wie sie wolle, wenn sie ein Kind bekommt, rutsche ein Paar in Deutschland automatisch in die klassische Rollenverteilung hinein. Denn, dass Väter Elternzeit nehmen,  sei in der Gesellschaft und in vielen Unternehmen noch nicht anerkannt und da das Gehalt von Männern oft höher sei, bringe dies auch finanzielle Nachteile mit sich. Doch gerade wenn Studierende Eltern werden, ergebe sich dieses Rollenverteilungsproblem meist nicht. Hier seien beide Elternteile in der gleichen Lage und könnten die Kindererziehung gerechter verteilen. „Oft haben wir uns das Baby auf dem Campus übergeben“, sagt Caro. „Das war zwar stressig, aber irgendwie cool“. Jetzt wo ihr Freund den ganzen Tag arbeitet, verbringt sie die meiste Zeit mit den Kindern.

„Väter haben anscheinend keinen Redebedarf“

Vormittags, wenn ihre Kinder in der Kita des Studentenwerks betreut werden, hat Carolin Zeit, an ihrer Masterarbeit zu schreiben. Diese beschäftigt sich mit den Problemen, mit denen sich studierende Mütter konfrontiert sehen. Gerne hätte sie auch Väter mit einbezogen, aber auf ihren Aushang meldeten sich nur Frauen. Mit ihnen veranstaltete Carolin eine Diskussionsrunde, aus der sie mit einem Konzept für den universitären Ideenwettbewerb herausging: Durch die Geburt verlieren viele Eltern den Anschluss zu ihren Kommilitonen und es fehlt ihnen ein soziales Netzwerk. Besonders schwer ist es, mit anderen jungen Eltern in Kontakt zu kommen. Wie praktisch wäre also ein Internetportal, auf dem sich Studierende mit Kind austauschen könnten? Caro reichte ihren Ideenentwurf bei dem Wettbewerb ein und erhielt den zweiten Preis, der mit 750 € dotiert war. Das Projekt hat sie damit in die Hände der Uni übergeben, die die Idee innerhalb der nächsten Jahre umsetzen will.

Das mit dem Anschluss verlieren kann ich mir gut vorstellen! Aber abgesehen davon hatte ich viel mehr Probleme erwartet, mit denen man sich als studierende Mutter herumschlagen muss. Es überrascht mich, dass sogar das mit dem Geld nicht so schwierig zu sein scheint. Ich habs vorher noch nie aus der Perspektive betrachtet, dass man als Student sowieso einen niedrigeren Anspruch an alles hat…

Aus der Gesprächsrunde mit den anderen Müttern nahm Caro auch mit, dass es sehr stark von der Fakultät abhängt, wie gut man ein Kind in den Studienalltag integrieren kann und dass die finanzielle Situation bei Studierenden mit Kind(ern) von Bafög-Bezug bis zum 3000€ Gehalt des Partners reicht. „Meine Erfahrungen sind also total individuell und man kann nicht von mir auf alle studierenden Eltern schließen“, erklärt Caro.

 

Mein Treffen mit Caro fand schon vor ein paar Monaten statt. Inzwischen hat sie ihr Kind bekommen und ich bin sicher, dass ihr Leben jetzt wieder ein bisschen anders aussieht.

 

 

 

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Gwendolyn Barthe, 22, studiert im Bachelor Soziologie. Beim Schreiben isst sie am liebsten Gummibärchen.

1 Comment

  • Allerhöchsten Respekt von mir. Es ist aber vor allem schön, dass es Müttern ermöglicht wird ein Präsenzstudium wahrzunehmen. Dies isr sicherlich nciht in jedem Land möglich..

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