Auf den Spuren der Raubritter

Der Weg in eine längst vergangene Welt ist steil. Eine schmale Straße führt vorbei an Wiesen und Feldern an einen Ort, der auf eine fast 1000-jährige Geschichte zurück blickt: die Burgruine Hanstein.

Über den Dächern des kleinen Fachwerkdorfs Bornhagen (Eichsfeld) im Dreiländereck zwischen Hessen, Thüringen und Niedersachsen erhebt sich der Hanstein, der als eine der größten Burgruinen Mitteldeutschlands gilt – und schon im 20. Jahrhundert ein beliebtes Ausflugsziel Göttinger Studenten war.

An einem schwül-warmen Sommertag mache ich mich auf den Weg, um eines der spannendsten (und leider weniger bekannten) Kulturdenkmäler der Region zu besuchen. Der Schweiß steht mir auf der Stirn, als ich den engen Innenhof der Burg erreiche. Treppen führen in Kellerräume, ohne Licht. Nur mit Handytaschenlampe lassen sich Umrisse erkennen.

Wer keine Platzangst hat, kann die engen Steintreppen auf den Nordturm besteigen. Oben bläst der Wind, eine willkommene Abkühlung. Und der Blick ist fantastisch: Im Norden umschließen die Göttinger Berge das Tal, im Westen thront der Hohe Meißner und rund um den Hanstein liegt der Thüringer Wald.

Autos, Verkehr, Lärm? Fehlanzeige. Ich bleibe ein paar Minuten hier oben und genieße einfach den Ausblick.

Schlösser und Burgen gibt es in Deutschland viele. Die meisten sind herausgeputzt für Besucher, saniert und haben – bis auf die Fassade – nicht mehr viel mit dem Mittelalter gemeinsam. Der Hanstein ist anders. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Burg von schwedischen Truppen schwer verwüstet, die Bewohner flohen und die Natur eroberte sich Stück für Stück das Mauerwerk zurück. Doch die Familie Hanstein nutzte die Ruine noch immer als Treffpunkt, im 19. Jahrhundert wurde sogar ein neuer Saal erbaut.

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Springen wir von hier in die jüngere Vergangenheit: Durch seine Lage an der innerdeutschen Grenze wurde der Hanstein zu DDR-Zeiten als Beobachtungsposten genutzt. Mit dem Fall der Mauer ist der Hanstein in Gemeindebesitz übergangen, die Ruine wird dabei immer wieder saniert ohne ihren Charakter zu verlieren. Der Hanstein soll seine Stellung als Denkmal erhalten.

Nicht weit vom Hanstein entfernt, auf hessischer Seite, erhebt sich die Burg Ludwigstein. Der Legende nach hat sie der Teufel in einer Nacht erbaut. Doch wahrscheinlich war es eher so: Um die Bedrohung der Raubritter vom Hanstein abzuwenden, hat der Landgraf von Hessen ab dem Jahr 1415 den Ludwigstein errichten lassen. Eine Festung, die heute als Jugendherberge genutzt wird.

Wer besonders motiviert ist, kann auf einem Wanderweg (4,5 Kilometer), der direkt am Hanstein beginnt, bis zum Ludwigstein laufen – drei Stunden sollten dafür allerdings schon eingeplant werden.

Ich schaue mir lieber den restaurierten Rittersaal an. Lange Tische, viel Holz, ein schwerer Kronleuchter hängt an der Decke. Von draußen dringen keine Laute durch das dicke Gemäuer. So könnte das Leben hier also ausgesehen haben, vor vielen hundert Jahren.

Einmal im Jahr nimmt die Ruine ihre Besucher mit in diese längst untergegangene Welt. Am ersten Augustwochenende findet rund um die Burg ein Mittelalterfest statt. 13.000 Besucher strömen dann zur Burgruine. Mit meinen Eltern habe ich Mitte der 90er-Jahre zum ersten Mal den Hanstein so kennengelernt. Ich war begeistert vom Treiben rund um die Burg, dem Geruch von Stockbrot, den Männern in ihren Kutten und den Frauen in ihren Gewändern.

Als ich am frühen Abend wieder den steilen Weg in Richtung des verschlafenen Dörfchens Bornhagen hinunter steige, muss ich daran denken, dass wahrscheinlich nur ein Bruchteil der Studierenden den Hanstein je gesehen hat. Dabei ist es mit dem Semesterticket (fast) kein Problem: Die Regionalbahn fährt bis Witzenhausen (Richtung Kassel-Hauptbahnhof), von dort sind es mit dem Fahrrad noch elf Kilometer. Eine Tour in eine längst vergangene Welt, die sich lohnt. Ganz bestimmt.


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